AUTOR: CAROLIN GARBE
Dem grenzüberschreitenden E-Commerce in die Schweiz stehen womöglich Änderungen bevor, denn aktuell wird das Zollgesetz in der Schweiz überarbeitet. Ziel der Revision ist die Digitalisierung des Schweizer Zolls, womit dieser organisatorisch flexibler und attraktiver werden soll. Wir haben dir in diesem Blog die wichtigsten Punkte zur Zollgesetzrevision zusammengefasst.
Der Nationalrat verabschiedete am 6. März 2024 die vom Bundesrat erarbeitete Vorlage zum neuen Zollgesetz und legte damit den Grundstein für die Gesetzesänderungen. Das Gesetz wird derzeit von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates überprüft. Gemäss aktuellem Stand scheint es nun so, als ob nicht alle geplanten Änderungen umgesetzt werden.
Aktueller Stand vom 2. Juli 2024.
Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben hat sich in der Detailberatung des Zollgesetzes intensiv mit zentralen Fragen auseinandergesetzt. Wie aus der Medienmitteilung vom 2. Juli 2024 ersichtlich wird, weichen ihre Anträge in mehreren Punkten von der Vorlage des Nationalrates ab.
- Rücknahme der Lockerung: Die Kommission will den Verzicht auf die Anmeldung nicht-zollpflichtiger Waren rückgängig machen, wie vom Bundesrat vorgeschlagen.
- Keine Wahlfreiheit: Die Verantwortung für die Warenanmeldung soll beim bisherigen System bleiben, ohne Wahlfreiheit bei der Verzollung.
- Unklarer Zeitrahmen: Das Inkrafttreten des neuen Zollgesetzes ist noch ungewiss und hängt vom weiteren politischen Prozess ab. Wir halten euch weiterhin auf dem Laufenden.
Der vom Nationalrat verabschiedete Entwurf betrifft auch den grenzüberschreitenden Onlinehandel in die Schweiz. Hier sind die wichtigsten, möglichen Änderungen für dein Cross-border E-Commerce Business in der Schweiz zusammengefasst. Diese kommen dann zur Anwendung, wenn der aktuelle Entwurf des Gesetzes genehmigt wird.
Nationalrat will Zollanmeldepflicht für Waren lockern.
Nicht-abgabepflichtige Waren könnten mit dem neuen Zollgesetz von der Zollanmeldepflicht befreit werden. Die angedachte Lockerung durch den Nationalrat würde sich vermutlich auf die Sendungen beziehen, die einen Warenwert unter CHF 62.- (bei 8.1% MwSt.-Satz) und CHF 193.- (bei 2.6% MwSt.-Satz) sowie Zollabgaben unter CHF 5.- haben und keinen nicht-zollrechtlichen Erlassen unterliegen.
Wahlfreiheit bei der Verzollung.
In Zukunft könnten Exporteure und Importeure selbst entscheiden, ob sie die Verzollung eigenständig durchführen möchten. Sowohl Transportunternehmen als auch anderen Dienstleistern soll es untersagt sein, den Sendungsempfängern für die Verzollung Kosten aufzuerlegen.
Das heisst, sofern er dies möchte, könnte der Konsument die Verzollung von Cross-border Paketen selbst übernehmen – mit allen dafür nötigen Dokumenten und Daten. Der Händler könnte damit Aufwände seinerseits einsparen, würde jedoch seinem Kunden zusätzliche Arbeit aufbürden und den lokalen Anbietern in seinem Einkaufserlebnis nachstehen. Zudem würde dies für den Endkunden zusätzlichen Aufwand bedeuten und möglicherweise die Lieferung verzögern. So bleibt es fraglich, ob Endkunden effektiv Gebrauch von dieser Option machen würden.
Lesetipp: Erfahre mehr über die optimale Verzollung in der Schweiz, Grossbritannien und Norwegen.
Was würden die Änderungen des Zollgesetzes für Onlinehändler, die in die Schweiz versenden, bedeuten?
Von der Lockerung der Deklarationspflicht würden primär Händler im Niedrigpreis-Segment profitieren mit Warenkörben unter CHF 62.00 (bei 8.1% MwSt.). Diese könnten ihre Kosten für den internationalen Versand weiter senken. Sämtliche Pakete über diesem Wert würden jedoch Mehrwertsteuerabgaben oberhalb der Freigrenze verursachen und müssen weiterhin deklariert werden. Die Bestimmung dieser deklarationspflichtigen Lieferungen muss sauber sichergestellt und für den Fall eines Zoll-Audits dokumentiert werden. Die Stammdatenpflege würde weiterhin erforderlich sein, da für jeden Artikel, sogar solche unterhalb des Grenzwertes, eine Deklarationspflicht gegeben sein kann, je nachdem mit welchen weiteren Artikeln das Produkt versendet wird. Massgebend für die Beurteilung ist voraussichtlich die gesamte Endkundenbestellung, nicht nur der Artikel selbst.
Die Wahlfreiheit der Selbstdeklaration durch den Endkunden könnte für Händler bedeuten, dass zollrelevante Informationen wie Gewichte für Konsumenten zugänglich gemacht werden und die Pakete bis zu einer erfolgreichen Verzollung durch den Konsumenten separiert werden müssten. Zollkosten müssten für Kunden, die die Anmeldung selbst übernehmen, zudem vom Kaufpreis abgezogen und in der Rechnung entsprechend ausgewiesen werden.
Schliesslich wäre zu beachten, dass die Anpassungen am Schweizer Zollgesetz keine Auswirkungen auf die EU-Verzollung hätten. Bei einer Änderung im Schweizer Zoll müssten weiterhin alle EU-Ausfuhren inklusive aller relevanter Bestelldaten erstellt werden. Neben dem gesetzlichen Erfordernis wäre dies auch unerlässlich, um eine abgabefreie Wiedereinfuhr in die EU sicherzustellen.
Wann tritt das neue Zollgesetz in Kraft?
Wann und in welcher Form das neue Zollgesetz in Kraft treten soll, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Nach der Verabschiedung des Gesetzes im Nationalrat, geht das Geschäft nun in die kleine Kammer, dem Ständerat, über (siehe Ablauf Gesetzesänderung in der Schweiz unten). Der Ständerat ist befugt, die vom Nationalrat beschlossenen oben genannten Änderungen wieder rückgängig zu machen. Nach finaler positiver Verabschiedung durch die beiden Räte untersteht das Geschäft dem fakultativen Referendum. Das allfällige Inkrafttreten wird im Anschluss durch den Bundesrat festgelegt.
Wann und mit welchen Bestimmungen das neue Gesetz eingeführt wird, lässt sich schwer einschätzen. Aufgrund des komplexen Prozesses und der politischen Uneinigkeit rechnen wir jedoch mit einem mehrjährigen Prozess.
Ablauf Gesetzesänderung in der Schweiz
In der Schweiz ist der Prozess der Gesetzgebung relativ komplex und beinhaltet verschiedene Stadien, von der Entwurfserstellung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes.
Bevor ein Gesetz im Parlament diskutiert wird, erstellt der zuständige Bundesrat (Ministerium) einen Vorentwurf. Dieser wird in einem Vernehmlassungsverfahren verschiedenen Akteuren wie Kantonen, politischen Parteien, Verbänden und weiteren interessierten Kreisen zur Stellungnahme vorgelegt.
Basierend auf den Rückmeldungen aus der Vernehmlassung bereitet der Bundesrat eine Botschaft an das Parlament vor, die eine detaillierte Erläuterung des Gesetzesentwurfs enthält.
Der Gesetzesentwurf wird zuerst in einer der beiden Kammern des Schweizer Parlaments – dem Nationalrat (grosse Kammer) oder dem Ständerat (kleine Kammer) – behandelt. Nach der Diskussion und eventuellen Änderungen wird über den Entwurf abgestimmt. Anschließend durchläuft der Entwurf das gleiche Verfahren in der anderen Kammer. Beide Kammern müssen dem Gesetz zustimmen. Bei Differenzen zwischen den Kammern gibt es ein Differenzbereinigungsverfahren.
Nach der Annahme durch das Parlament kann gegen das neue Gesetz ein fakultatives Referendum ergriffen werden. Dafür müssen innerhalb von 100 Tagen nach der Veröffentlichung des Gesetzes 50.000 gültige Unterschriften gesammelt oder acht Kantone müssen ein Referendum fordern. Wird das Referendum erfolgreich ergriffen, kommt es zu einer Volksabstimmung.
Falls ein Referendum zustande kommt, wird das Gesetz dem Schweizer Stimmvolk zur Annahme oder Ablehnung vorgelegt. Das Gesetz tritt nur in Kraft, wenn es eine Mehrheit der Stimmen erhält.
Wird das Gesetz vom Parlament verabschiedet und kein Referendum ergriffen oder das Gesetz in einer Volksabstimmung angenommen, wird es zu einem vom Bundesrat festgelegten Datum in Kraft gesetzt. Der Bundesrat veröffentlicht das Inkrafttretensdatum im Bundesblatt.
Anmerkungen zu den schweizerischen Begriffen
Regierung der Schweiz, bestehend aus sieben Mitgliedern.
Ein Konsultationsverfahren, bei dem relevante Interessengruppen Gelegenheit haben, zu einem bestimmten Thema Stellung zu nehmen.
Die 26 schweizerischen Kantone sind eigenständige politische Einheiten innerhalb der Schweiz.
In der Schweiz besteht die Möglichkeit, dass das Stimmvolk über bestimmte Gesetze oder Beschlüsse des Parlaments in einer Volksabstimmung entscheidet.
Ein offizielles Schreiben der Schweizer Regierung, das dem Parlament zur Behandlung bestimmter Themen vorgelegt wird.